Chronik des Kappen Klubs

Vor über 100 Jahren, also noch vor dem Fernseh- und Computerzeitalter, trafen sich einige junge Kronberger regelmäßig im „Ratskeller“ zum Stammtisch. Es wurde nicht nur miteinander geredet, sondern auch musiziert und gesungen. Schon bald hatte man die Idee, einen eigenen Verein zu gründen, obwohl um die Jahrhundertwende schon etliche Vereine in Kronberg existierten, die auch mit geselligen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit traten: Es wurde Theater gespielt, es gab Chorkonzerte, Unterhaltungsabende mit buntem Programm, Schauturnen und vieles mehr. Auch für den Karneval gab es schon einen speziellen Verein, die „Carnevalsgesellschaft“.

Die jungen Stammtischler schafften sich, um ihren Gemeinschaftssinn zu dokumentieren, gleiche Kappen an. Damit war auch der Name für den neu gegründeten Verein gefunden: Kappen Klub, seine Mitglieder nannten sich Kappenbrüder oder kurz Kappen.

In den ersten Jahren wurden die Klubabende, wie auch noch heute die regelmäßigen Treffen genannt werden, mit interessanten Vorträgen und Vorlesungen aufgelockert. Von Anfang an bis in die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg verfügte der Kappen Klub über eine eigene Kapelle, welche die gemütlichen Zusammenkünfte mit Musik umrahmte.

Vorrangig wollten die Kappenbrüder im Karneval aktiv sein. Sie beteiligten sich deshalb jedes Jahr während der „drei tollen Tagen“ an der Straßenfassenacht und den närrischen Umzügen. Schon bald waren ihre selbst gestalteten Wagen mit den wechselnden Motiven bekannt und beliebt. Schnell kamen die Kappen darauf, dass es in der närrischen Zeit außer den vielen Maskenbällen, die jeder Kronberger Verein jährlich veranstaltete, und der Straßenfassenacht wenig attraktive Angebote gab. Richtig gute „Sitzungen“, wie man sie heute von den Kappen kennt, waren noch rar. Doch bald fanden sich genug vereinseigene Büttenredner, die wahre Lachstürme hervorriefen, wenn sie die kleinen menschlichen Fehler und vor allem die lokalen Ereignisse in den Kappensitzungen auf die Schippe nahmen.

Hier sei stellvertretend für viele der Vollblutkarnevalist Andreas Schrodt genannt, mit seinem umwerfenden Humor auch ein eigenwilliger Schauspieler, der leider schon 1937 im Alter von 53 Jahren verstarb. Er hinterließ eine kaum zu schliessende Lücke. Sein Name lebt im Kappen Klub noch weiter fort: Ihm zu Ehren wurde 1957 der „Andreas-Schrodt-Orden“ gestiftet, der an Kappenbrüder verliehen wurde, die sich besonders um den Karneval verdient gemacht haben.

Die Karnevalssitzungen weckten auch die Liebe zum Theater. Neben kleineren Aufführungen wagte man sich 1913 sogar an eine erfolgreiche Opernaufführung, den „Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Der bekannte Kronberger Maler Emil Rumpf führte Regie und schuf das hervorragende Bühnenbild, so wie er den Kappen Klub bei der Gestaltung von Festwagen, Kulissen, Oden und Ehrenurkunden stets tatkräftig unterstützte.

Im ersten Weltkrieg mussten mehr als dreißig Kappenbrüder an die Front, acht von ihnen kehrten nicht mehr zurück. Not und Entbehrung, Angst um die Männer an der Front und Sorge um das tägliche Brot bestimmten das Leben auch in Kronberg. Die Vereinstätigkeit beschränkte sich auf die Unterstützung der Soldaten und der Angehörigen der Gefallenen.

Als 1918 der Krieg vorbei war, erlaubte die in Kronberg bestimmende französische Besatzungsmacht zunächst keinerlei Vereinstätigkeiten. Erst im Spätsommer 1919 gelang es dem Vorsitzenden Heinrich Antoni, der selbst gerade erst aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, bei der Besatzungsbehörde eine Genehmigung für die erste Mitgliederversammlung nach vielen Jahren zu erhalten.

Diese und alle anderen Veranstaltungen konnten wegen der Sperrstunden, die der Zivilbevölkerung auferlegt waren, nur am Nachmittag stattfinden.

Mit Elan ging es an die Wiederbelebung des Vereinslebens: Insgeheim hatte man schon mit den ersten Theaterproben begonnen und konnte so schon Ende Oktober 1919 zur Aufführung der Operette „Im weißen Rössel“ in den „Frankfurter Hof“ einladen. Der Erfolg gab den Akteuren neuen Mut und mit dem Kappen Klub ging es aufwärts.

Alle Veranstaltungen wurden damals zu wohltätigen Zwecken durchgeführt, denn in Kronberg gab es infolge der Inflation viel Not zu lindern. Trotz dieser schwierigen Bedingungen nahm die Mitgliederzahl erheblich zu. Die Verantwortlichen ließen sich auch stets etwas Neues einfallen.

Zum Beispiel stand jeder Maskenball unter einem besonderen Motto, sichtbar gemacht durch eine entsprechende Saaldekoration.

1936 feierte Kronberg ganz groß Fassenacht, da die „Carnevalsgesellschaft“ 50 Jahre alt wurde. Aus diesem Anlass wurde auch wieder ein Prinz Karneval gekürt: „Tellus von Uhrenhausen“, im bürgerlichen Leben Uhrmachermeister Wilhelm Lohmann, der an der Schirn ein großes Geschäft führte. In späteren Jahren war Wilhelm Lohmann lange im Vorstand des Kappen Klubs und im Elferrat tätig.

Fast alle Kronberger Vereine beteiligten sich an dem großen närrischen Umzug. Der Kappen Klub ließ seine Kleppergarde mitziehen, die aus etwa 100 Kronberger Buben zwischen 8 und 14 Jahren bestand, die mit ihren selbst hergestellten Kleppern einen fröhlichen Radau machten. Allen voran ging der „Herr Kleppergeneral“ Andreas Schrodt, mit seinem „Hauptmann“ Albert Feldmann.

Damit der Kappen Klub beim Umzug ein gutes Bild abgab, stifteten Heinrich Antoni und seine Frau dem Kappen Klub eine neue Vereinsstandarte, die von Kappenbruder Karl Henrich bemalt wurde.

Im Jahr danach wurde zum Andenken an den ersten Ministerpräsidenten des Klubs der „Jakob-Hembus-Orden“ gestiftet, mit dem man sehr verdiente Mitglieder auszeichnete.

Nach 1937 wurde es für die Karnevalisten immer schwieriger Sitzungen abzuhalten. Die Zensur wurde laufend verschärft: Büttenreden waren dem Bürgermeister vorzulegen, der sich überlegen musste, welche Witze zugelassen werden konnten und welche nicht. Aber selbst diese scharfen Kontrollen konnten nicht verhindern, dass der Kappen Klub „seine“ Fassenacht so feierte wie er es gewohnt war. Dabei sorgte die Kappenkapelle für gute Stimmung.

1939 setzte ein Krieg erneut allem Spaß ein Ende. Wieder musste die Vereinstätigkeit ruhen, wieder mussten viele Kappenbrüder an die Front, wieder riss der Tod schmerzliche Lücken. Hinzu kamen Fliegerangriffe und Flüchtlingsströme. Nach Kriegsende war es dieses Mal die amerikanische Besatzungsmacht, die alle Vereinstätigkeit verbot.

Ende 1946 durfte der Kappen Klub seine Arbeit wieder aufnehmen. Man mobilisierte alle Büttenredner und konnte schon im Februar 1947 die erste Sitzung im „Schützenhof“ steigen lassen, die bombig einschlug, denn es gab ja keinen „Maulkorb“ mehr. Auch die Kappenkapelle fand sich wieder zusammen und spielte zum ersten Nachkriegsmaskenball auf.

Die Zeiten waren immer noch schwierig, doch alle waren dankbar für jede Form der Abwechslung. So wagte man sich denn auch an etwas Neues: Ein Freilichtspiel auf der Schirn. Das Stück, „Das neue Reis“, hatte schon seit längerem Wilhelm Jung geschrieben. Es beschrieb das Leben und Wirken des großen Kronberger Obstpfarrers, Johann Ludwig Christ. Für den Autor und die Spieler wurden die insgesamt sieben Aufführungen vor vollbesetzten Bänken ein Riesenerfolg, obwohl es allein bei der Beschaffung der Kostüme, der Drucksachen und Plakate großer Organisationstalente bedurfte.

Die Mitglieder des Kappen Klubs waren allesamt eingespannt, ob als Akteure, als Statisten, als Bühnenbildner, als Bewachungs- und Aufbaupersonal. Auch zum Absperren der Friedrich-Ebert-Strasse wurden sie eingesetzt.

Mancher entdeckte hierbei seine Liebe zum Theater. So war es möglich, 1952, 1953 und 1961 Aufführungen zu wiederholen. Aus diesen Akteuren des Kappen Klubs gingen später die beiden Theatervereine in Kronberg – die „1. Kronberger Laienspielschar“ und die „hannemanns“ – hervor.

In der Turnhalle, dem Veranstaltungsort der Sitzungen wurde erst 1950 ein Durchbruch zwischen dem schon 1939 angebauten Bühnenraum und der Halle ausgeführt, so dass man erstmals eine Bühne zur Verfügung hatte. Dies wirkte sich positiv auf die Qualität der inzwischen

drei Sitzungen aus. Man erwartete voller Zuversicht das Jubiläumsjahr 1952.

Das fünfzigjährige Bestehen des Kappen Klubs sollte ganz groß gefeiert werden. Dazu gehörte ein Prinz und eine Prinzengarde. Man überlegte, ob man diese mit friderizianischen Uniformen, die fast überall üblich waren, ausstatten sollte. Eine besondere Idee hatte der Kronberger Schreinermeister Heinrich Bettenbühl. Er meinte, Kronberg hätte eine stolze Burg, dazu gehörten Ritter, also Ritterrüstungen für die Prinzengarde!

Wie diese Idee realisiert wurde, darüber wird an anderer Stelle ausführlich berichtet.

Die Finanzierung des großen Unternehmens „Jubiläum 1952“ war ein beachtenswerter Beweis des Gemeinschaftssinnes der Kappenbrüder. Jedes Mitglied zeichnete nach seinen finanziellen Möglichkeiten einen Betrag, der im Falle eines Defizits dem Verein zur Verfügung stand. Zum Glück waren jedoch alle Veranstaltungen – drei Sitzungen, zwei Maskenbälle und kleine Unterhaltungsabende – so gut besucht, dass kein finanzieller Verlust entstand.

Zum Jubiläum hatten sich einige Kappenbrüder bemüht, Instrumente, Bläser und Trommler zu organisieren. Sechs junge Leute wurden gefunden, die das Fanfarenspielen aus der Vorkriegszeit noch beherrschten und auch trommeln konnten. Das war der Grundstock zum großen Fanfarenzug, der sich daraus entwickelte. 1970 machte er sich unter dem Namen „Fanfarenzug 1970 Kronberg“ selbständig, ein weiterer Kronberger Verein, der seinen Ursprung im Kappen Klub hat.

Höhepunkt des Jubiläums war der große närrische Umzug am Fassenachtssonntag. Alle Kronberger Vereine machten begeistert mit. Eine große Anzahl von Wagen mit lokalem, politischem oder närrischem Gepräge zog durch die engen Straßen Kronbergs.

Das fünfzigjährige Jubiläum ist als wirklicher Höhepunkt in die Vereinsgeschichte eingegangen.

Nach solch großen Anstrengungen und solch großartigem Erfolg ist es nicht einfach, auf gleich hohem Niveau weiterzumachen. Mit dem zunehmendem Angebot des Fernsehens wurden die Ansprüche größer, gleichzeitig sank allgemein die Bereitschaft in einem Verein mitzuarbeiten. Doch die Kappen konnten sich auf ihre Mitglieder verlassen. Auch als es 1989 räumliche Probleme gab: Die Kleine Halle, ein Anbau an die Turnhalle, wurde abgerissen. Es fehlte plötzlich an Übungsraum für die Tanzgruppen, bis diese endlich ab November 1989 den Musiksaal der alten Grundschule benutzen durften. Ferner mussten die als Lagerraum für Requisiten genutzten Kellerräume der kleinen Halle geräumt werden. Die Bühnenbilder, Bütten, Dekorationsmaterial und vieles mehr wurde in etlichen Transporten nach Schönberg in den Keller der Viktoriaschule gebracht, von wo es nach kurzer Zeit wegen eines Brandes wieder zurück nach Kronberg ging, dieses Mal in den Keller der alten Grundschule geräumt werden musste.

Die Sitzungen im Januar 1989 standen unter dem Motto: „Zum letzte Mal in diesem Haus, lasse mer die Wutz eraus“. Ab 30.6.1989 war die Stadthalle wegen Umbaumaßnahmen geschlossen, die Sitzungen mussten in der Taunushalle im Stadtteil Schönberg stattfinden.

1991 begann für alle Fastnachter mit einem Schock: Die Fastnacht fiel aus! Das gab es außer in den Kriegsjahren des 1. und 2. Weltkrieges noch nie in der Vereinsgeschichte. Dabei hatte alles so gut angefangen: Vorträge, Tänze wurden beizeiten und fleißig eingeübt. 60 % der Eintrittskarten für die Sitzungen waren Mitte Januar verkauft, als die Golfkrise eskalierte und es zum Krieg kam. Aus Rücksicht auf die nicht gewährleistet erscheinende Sicherheit der Sitzungsbesucher und aus Solidarität wurde am 21. Januar mehrheitlich beschlossen, die Kampagne abzubrechen und die für 26. Januar und 2. Februar geplanten Sitzungen abzusagen.

Den Widrigkeiten des Jahres 1991 zum Trotz begann der Kappen Klub das Jahr 1992 mit einem gelungenen, gut besuchten Festabend zum 90jährigen Jubiläum. Die darauf folgenden Sitzungen konnten dann endlich in der neuen Stadthalle abgehalten werden.

Doch erst einmal gab es Probleme mit der Bestuhlung: In der alten Turnhalle waren noch über 250 Sitzplätze vorhanden, jetzt sollten nur noch 176 Stühle bei gleicher Hallengröße und einer wesentlich größeren Zahl von Fluchttüren gestellt werden. Zu wenig um eine Sitzung wirtschaftlich durchführen zu können! Dieses Problem wurde zur Zufriedenheit des Kappen Klubs gelöst, er durfte nach hartem Kampf 254 Stühle stellen.

Seitdem veranstaltet der Kappen Klub jedes Jahr zeitweise drei, inzwischen wieder zwei restlos ausverkaufte Sitzungen, von denen die Besucher, und das ist uns sehr wichtig, stets begeistert sind.